Frühmorgendliche Anfahrt über den neuen Trautenfelser Kreisverkehr.
Während Stefan noch einige Extra-Runden zieht, um auf die Sekunde genau aus dem morgendlichen Nebel aufzutauchen, nutze ich die Wartezeit für ein paar erste Schnappschüsse auf die Grimming-Ostseite. Ganz auf die Ostflanke dürfte die Sonne auf ihrem Lauf jetzt am Anfang des meteorologischen Herbstes gar nicht mehr scheinen.

Als Stefan – wie bereits erwähnt – pünktlichst erscheint, fahren wir gleich weiter, um mein Auto auf dem frühmorgens bereits übervollen Bergsteiger-Parkplatz in Kulm (Klachau) auf der Nordseite des Grimmings zu platzieren.
Die Morgentemperaturen waren zwar noch recht frisch, die klare Luft fühlte sich aber dennoch großartig an. Zuvor hatte ich Stefan noch erzählt, wie einsam der nicht markierte Lärchkogelsteig werden würde. Und dann das: Da starteten doch gerade tatsächlich 2 Wanderer vor uns. Wir folgten ihnen, ohne während unserer angeregten Gespräche weiter auf sie zu achten und … liefen erst einmal beim Einstieg vorbei. Also wieder ein kurzes Stück zurück – dort wo auf einem verwachsenen Stein ein roter unscheinbarer Punkt den Beginn eines großen Abenteuers markiert.

Bei meiner ersten Tour über den Lärchkogelsteig haben mich ja auch 2 sportliche Damen überholt. Mit den jetzt vor uns Gehenden sollte also das Tagessoll mehr als erfüllt sein. Umso überraschter war ich, als hinter uns ein Stimmengewirr zu vernehmen war.
Ja sag einmal. Da hätten wir doch besser gleich über den Südostgrat gehen können. Eine langgezogene Gruppe kam uns nach – ein Alpenvereinsausflug wie sich herausstellen sollte. Allmählich halte ich es für ein Gerücht, dass der Lärchkogelsteig so selten begangen wird.
Einer der Teilnehmer der großen Wandergruppe zeigte bereits im unteren Abschnitt – noch vor dem Steigbuch – einen etwas unsicheren (erschöpften?) Schritt und ließ einige Steine auf uns herabprasseln, als wir die Gruppe vorbeiließen, um uns beim Austausch unserer Anekdoten nicht hetzen zu lassen.

Dort wo der Steig bei der senkrechten Felsmauer ansteht, dreht sich die Route nach rechts (Norden) und über einen steilen Aufschwung und eine kurze Engstelle erreichen wir a) die Alpenvereinsgruppe wieder und b) die Kassette mit dem nicht mehr vorhandenen Steigbuch bzw. einen stattdessen enthaltenen Geocache.

Nach dem Genießen des Ausblicks und etlichen Fotos folgten wir der Alpenvereinsgruppe, zu der wir bald danach wieder aufschlossen und sie dann doch überholten. Der weiter unten schon etwas schwächelnde Teilnehmer mühte sich jetzt doch deutlich sichtbar ab.

Wir waren zwar auch nicht sonderlich flott unterwegs – was meiner schlechten Kondition geschuldet war, aber letztendlich dann doch etwas schneller als die immer wieder zusammenwartende Gruppe.
Stichwort Kondition. Um den Jahreswechsel 2020/21, als ich nach meiner Knochenmarködem-Geschichte allmählich wieder ohne Krücken gehen konnte, definierte ich für 2021 mehrere kleinere Etappenziele und zwei große Jahresziele: Im Juni wollte ich wieder am Kammspitz stehen und im September wollte ich den Grimming machen.
Und ich nehme es jetzt schon vorweg: Auch das 2. große Jahresziel – die Grimming-Besteigung – habe ich nun erreicht.

Noch sind wir aber nicht so weit. Wir mühen uns gerade in den Latschengassen an seiner Ostseite ab. Kontinuierlich geht es steil bergan. Keine flachere Geländestufen zum Ausrasten.
Über längere Strecken bekommen wir wider Erwarten die Sonne nicht zu Gesicht. Was für die Lufttemperatur zwar gut ist, der Steig durch Latschengassen und über steinige Steilrinnen ist dadurch aber häufig feucht und rutschig.

Erst oberhalb der Latschenzone, nach der Schlüsselstelle mit einer kurzen Kletterstufe gelangen wir endgültig in die Sonne. Und man muss es deutlich festhalten: Viel besser und angenehmer könnten die Wetterverhältnisse von nun an gar nicht mehr sein.

Auf das vermeintlich schon greifbar nahe Multereck ist es aber noch ein langer, steiler Weg. Die letzten roten Punkte einer ansatzweise erkennbaren „provisorischen“ Markierung haben wir hinter uns gelassen. Das Ziel ist ohnehin klar. Auffi halt. Schließlich erreichen wir dann aber doch die rostige Eisenstange.
Ich komme gehörig ins Schnaufen, kann kaum noch mit dem sportlichen Stefan mithalten. Nur in einem Punkt sind wir noch ebenbürtig. In unserer Vorliebe für alte Leibchen mit ausreichend „Luftlöchern“.


Ab dem Multereck spüre ich nun zunehmend Schmerzen im linken Bein. Auch heute dürfte ich wieder unbewusst eine etwas verkrampfte Schonhaltung eingenommen haben und durch die mehr als 1.400 Höhenmeter pausenlos bergauf bekam ich allmählich einen Krampf im Oberschenkel. Peinlich. Und je mehr ich versuche, das Gewicht hauptsächlich auf das andere Bein zu verlagern umso mehr verlagern sich die Krämpfe ebenfalls dorthin.

Ich nehme mir vor, künftig immer Magnesium mitzunehmen. Heute aber muss ich noch so durch. Stefan geht voran und ich werde aufgeputscht durch seine Erwähnung, er habe ein kleines Bier im Rucksack.


Allein der Gedanke an das Bier verleiht – zwar keine Flügel – aber zumindest so viel Motivation, um das langgezogene Gipfelplateau, auf dem man durchaus einen Fußballplatz unterbringen könnte, zu überschreiten.
Allerdings sinkt dieselbe Motivation wieder beim Anblick von, wenn schon nicht Hundertschaften so doch zumindest Dutzendschaften, die da beim Gipfelkreuz weilen, stehen, sitzen, in der Wiese liegen oder etwas unterhalb mit Paragleitern in die Lüfte starten.


Da gehen wir doch gleich weiter – runter zur Biwakschachtel, so unser ursprünglicher Plan. Aber justament bei unserem Eintreffen beim Gipfelkreuz löst sich der Großteil des Trubels in Wohlgefallen auf (Zusammenhang?) und wir finden Gefallen daran, uns direkt beim höchsten Punkt niederzulassen. Stefan der Arme muss mehrfach ausrücken, um diverse Grüppchen mit dem Handy zu fotografieren.
Ich würde auf einem Handy-Display ob meiner Altersweitsichtigkeit und auch wegen der spiegelnden Oberfläche kaum etwas erkennen. Ansonsten machen die kleinen Dinger heutzutage aber wirklich schon schöne Fotos.

Das Gipfelbier – ein Hochgenuß. Vergessen ist der Krampf. Dazu viel zu reichlich Jause, die beim Abstieg im Magen liegt.

Oder ist es doch ein wenig die Anspannung am „einfachen Normalweg“ mit seinen kurzen, leichten Kletterpassagen, die jeder anders absolviert. Während uns ein Bergläufer mit leichten, Ferrari-roten Turnpatscherln abwärts laufend überholt, ein anderer telefonierend gerade die spätere Einkehr vereinbart und Stefan mit Hilfe seiner Armkraft „nach vorne“ über die steilsten Felsstufen abrutscht, bevorzuge ich den „verkehrten“ Abstieg mit zu den Felsen gewandtem Gesicht.

Schließlich aber, nach etwa 450 Höhenmetern im Fels erreichen wir das langgezogene Schotterkar, in dem nicht nur ich mich um einiges wohler fühle, sondern sich auch mehrere Gämse ein geselliges Stelldichein geben.

Aber noch sind wir nicht unten. Es wartet noch eine längere Felsstufe – zwar bestens durch Drahtseile entschärft, aber doch Konzentration und alle möglichen Tritt- und Griff-Varianten fordernd, ehe wir mit brennenden Händen (Klettersteig-Handschuhe wären neben einem Steinschlag-Helm sehr empfehlenswert) schließlich wieder in sicherem Gehgelände ankommen. Unweit jener Stelle, von der wir einst unabhängig voneinander dem Grimmingpferd zusteuerten.

Dann tauchen wir a) ein in den Wald und kurz vor dem Ziel b) zumindest unsere Hände in das eiskalte Bergwasser einer Quelle nahe dem markierten Wanderweg. Beim Auto angekommen beschlossen wir, den Tag bei einem kühlen Trankerl ausklingen zu lassen. Erst die Kälte nach Sonnenuntergang vertreibt uns von der gemütlichen Terrasse in der Klachau.
Jede Tradition hat einmal als Neuheit begonnen. Lieber Stefan, der sich als DER Leser meine Blogs zu erkennen gegeben hat, vielleicht wird ja was „Jährliches“ draus. Anspruchsvolle Touren würden mir einige einfallen, die ich gerne mit Dir gehen würde. Aber ein bissal musst schon auf mein fortgeschrittenes Alter Rücksicht nehmen. Und beim nächsten Mal nehm ich auch a Bier mit – versprochen.
Liebe Grüße – Dein / Ihr / Euer Christian