Der wunderschöne deutschsprachige Begriff „Overtourism“ ist heuer wieder in besonders vieler Munde. Auch mein heutiger Bericht handelt davon. Ich spreche allerdings nicht von einem Kurzurlaub in Venedig, Barcelona oder Amsterdam, sondern von einer Bergtour in den Ennstaler Alpen. Am 15.09.2019 war es mein Ziel, eine Rundwanderung mit dem GPS aufzuzeichnen, die wir so in umgekehrter Richtung bereits vor 14 Jahren unternommen hatten.

Beim 1. Besuch am Hochtor 2005 hatte ich noch kein GPS. Jetzt wurde die Track-Aufzeichnung nachgeholt.
Landkartenausschnitte © BEV 2009, Vervielfältigt mit Genehmigung des BEV © Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen in Wien, T2009/52304
Landschaftlich sind die Gesäuseberge über jeden Zweifel erhaben. Ich hatte allerdings vergessen/verdrängt, welcher Wirbel hier an schönen Wochenenden herrscht. Im Sommer und Herbst bei Wandertouren wie im Winter und Frühling bei Skitouren. Und dementsprechend viel los war auch bereits beim Aufbruch beim Kölbl-Wirt in Johnsbach.
In der Hoffnung weiter oben mehr Ruhe zu finden, legte ich den ersten Abschnitt bis zur Weggabelung vor der Unteren Koderalm mit forscherem Schritt zurück. Hier halte ich mich links, denn ich möchte über das Schneeloch aufsteigen, unsere Abstiegsroute von 2005. Aber angesichts der fast endlosen Wandererströme macht es keinen Unterschied, wenn man den einen oder anderen überholt. Denn erstens wird man – so man nicht zu den Schnellsten zählt – ohnehin auch selbst immer wieder überholt, andererseits trifft man halt auf die nächste Gruppe.
Der Trubel und die lautstarke Mitteilsamkeit schien auch so manchen anderen ruhesuchenden Wanderern zu viel zu sein. Einer dieser derart Genervten schrie deshalb zu einem besonders lauten „kommunikativen“ Wanderer: „Geh red a bissal lauter, der da ganz vorne kann Dich noch nicht verstehen“. Der meditative Geh-Flow kann so natürlich nicht eintreten. Ich versuchte deshalb, mich wenigstens an den landschaftlichen Schönheiten zu erfreuen. Und deren gibt es hier zahlreiche.
Weiter oben im Schneeloch benötigt man an einigen Stellen die Hände zum Aufstieg – ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, dass das Gelände seinerzeit beim Abstieg derart anspruchsvoll war. Aber auch ungemein reizvoll und inspirierend. Durch diese Vielfalt und Abwechslung und so manchem Getier vergehen die mehr als 1.500 Aufstiegshöhenmeter dann doch recht rasch.

Der Aufstieg über die Schneeloch-Route verläuft im linken Bildbereich über die teils grünen Terrassen.

Aber auch drüben am Normalweg (Josefinensteig) gab es einige Staupunkte (z.B. rechts oberhalb der Bildmitte).
Der Gipfelaufenthalt zählte dann aber so ziemlich zu den schlimmsten an die ich mich erinnern kann: Totale „Übervölkerung“ und großer Wirbel, nervendes Geschrei und Turnereien auf dem Gipfelkreuz für Facebook-Fotos.
Ja liebe Niederösterreicherin: Man darf ja stolz sein, wenn das Hochtor der allererste Gipfel ist, den man bestiegen hat. Schließlich ist er nicht ganz einfach, wie Du ja selbst am knieweichen Herumgezittere mancher Gipfelaspiranten gesehen hast, die auf diesem Berg eigentlich absolut nichts verloren haben. Aber bitte etwas leiser. Wir wissen ja jetzt alle hier beim Gipfelkreuz, dass eure Gruppe gestern bis nach Mitternacht auf der Heßhütte gesoffen hat, und ihr dennoch so cool seid, dieses Gipfelchen quasi als Vormittagssnack zu verspeisen.
Man ahnt es schon: Allzu lange hielt ich mich nicht dort oben auf. Für den Abstieg wählte ich den teilweise seilversicherten Josefinensteig hinunter zur Heßhütte. Auch dieser „Normalweg“ erfordert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit und sollte nicht unterschätzt werden.
Von der Heßhütte ging zunächst zum nahegelegenen Gamsbrunn, wo ich das kalte Quellwasser genoss. Danach folgte ich dem unschwierigen, markierten Wandersteig hinab zur Unteren Koderalm wo ich wieder auf meine Aufstiegsroute traf. Das letzte Stück am bereits bekannten Weg hinab zum Kölblwirt, wo der Rummel nicht weniger geworden ist.
Fazit der Tour: Landschaftlich Top. Wer aber Einsamkeit und Ruhe sucht, sollte nicht an einem Wochenende kommen. Am Ende sagt man dann aber ja doch wieder: „Schön wor´s“.
Liebe Grüße – Dein / Ihr / Euer Christian
Noch ein Wort zum Overtourism: In Venedig, wo man sich bis vor kurzem noch über zu viele Touristen beschwert hat, bejammert man gerade wieder deren Ausbleiben.