Nicht einmal 3 Wochen nach der Überschreitung der Aflenzer Staritzen zog es mich schon wieder in das östliche Hochschwabgebirge. Dieses Mal wollte ich mich dem Gebirgsstock von der Nordseite aus nähern. Ausgangspunkt der Wanderung mit dem Gipfelziel Ringkamp war Weichselboden im Salzatal. So eng der Taleinschnitt und abgelegen die Gegend von Palfau über Wildalpen bis Gußwerk südlich von Mariazell auch ist – ich mag diese einsame von der Salza durchzogene und beiderseits von schroffen und zerklüfteten Steilhängen begrenzte Landschaft, welche das Hochschwabgebirge im Süden von den Ybbstaler Alpen im Norden trennt.
Landkartenausschnitte © BEV 2009, Vervielfältigt mit Genehmigung des BEV © Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen in Wien, T2009/52304
Von Weichselboden wusste ich eigentlich so gut wie gar nichts, der Name war mir bis jetzt nur von gelegentlichen Vorbeifahrten nach/aus Richtung Mariazell geläufig. Und so war ich einigermaßen erstaunt, dass die paar Häuser tatsächlich einen eigenen Ort darstellen sollen. Parkplatz vor dem Volksheim gab es jedenfalls einen großen und bei dem Brunnen neben dem Feuerwehrdepot dürfte es sich wohl um den Dorfgasthof handeln 🙂 .
Nach 2-stündiger Anfahrt startete ich bereits zu recht früher Morgenstund im „Stadtzentrum“ von Weichselboden, überquerte die Salza und folgte gleich danach am Schranken vorbei der Richtung Südwesten zunächst noch eben verlaufenden Forststraße.
Die Forststraße wird nach der flachen Anfangspassage steiler und in der Folge immer wieder über Waldsteige und teilweise auch schlammige und verwachsene Lichtungen abgekürzt.
So stimmungsvoll der Wald im morgendlichen Nebel auch wirkte, nach Fotos stand mir vorerst nicht der Sinn, zumal noch eine lange Strecke vor mir lag. Insgesamt sind 1.500 Höhenmeter bis zum Gipfelkreuz am Ringkamp zu bewältigen – und dann würde ich unter Umständen auch noch weitere Ziele haben, denn ich erhoffte mir ein Wiedersehen mit den Steinböcken am Hochschwabplateau. Auf einer Höhe von ca. 1.040 Meter macht ein Brunnen Vorfreude auf den Abstieg 🙂 (mehr dazu weiter unten) und dann geht es wieder steiler und in vielen angenehmen Serpentinen über einen großen Schlag hinauf zur Edelbodenalm. Hier treffe ich auch auf die einzigen beiden Wanderer auf der Nordseite, den weiteren etwa 15 Bergsteigern begegne ich erst oben am Gipfel bzw. am Plateau.

Kurz nach der Edelbodenalm überhole ich ein Wanderer-Paar, ansonsten ist mir auf der Hochschwab-Nordseite heute niemand begegnet (abgesehen von etlichen Gämsen).
Nach einem weiteren, steileren Wald-Abschnitt gelangt man zu einem Schotterkar, welches auf einem angenehmen Steiglein durchschritten wird.

Ein Kar wird von links nach rechts durchschritten, danach geht es im Grüngürtel auf der rechten Seite weiter.

Am frühen Vormittag ist es zwar bereits dunstig, aber noch weitgehend wolkenlos. Der Ötscher im Norden ist kaum mehr auszumachen. Etwa in Bildmitte der Zellerhut. Unten die Edelbodenalm.
Der Tag hatte zwar mit Nebel begonnen, darüber aber herrschte anfangs noch strahlender Sonnenschein mit fast schon zu warmen Temperaturen. Nach und nach zogen nun aber Wolken auf, zunächst vereinzelt, und bald über dem gesamten Hochplateau. Oberhalb der Samstatt (der grüne Latschengürtel nach der Schotterkar-Durchquerung) und insbesondere ab dem Weihbrunnkessel machte sich nun auch kräftiger und damit stark abkühlender Wind bemerkbar. Auf solche Wetterverhältnisse war ich kleidungstechnisch fast nicht vorbereitet.

Im Weihbrunnkessel gehe ich nach links Richtung Ringkamp. Nach rechts verläuft der Wanderweg weiter auf den Hochschwab.

Vom Gipfel kommen mir 2 Bergsteiger entgegen, die zuvor über die Wasserfallschlucht aufgestiegen sind. Heuer soll es dort noch „bröseliger“ sein, als in den letzten Jahren. Steinböcke haben sie keine gesehen, nur eine einzige Gams …
Da mein Standard-Objektiv keinen besonders ausgeprägten Zoom bietet, hätte ich heute sogar ein besseres Tele-Objektiv im Gepäck. Wegen ein paar Gämsen habe ich aber im starken Wind keine Lust, dieses anzustecken. So verwöhnt/abgestumpft bin ich also in den letzten Jahren geworden. Ich kann mich noch an das Hochgefühl vor etwa 16 Jahren am Beginn meiner Wanderleidenschaft erinnern, wenn ich eine einzelne Gams erblickt habe.

Insgesamt 9 weitere Gipfelkreuz-Besucher zähle ich vor, mit und nach mir am Ringkamp. Die meiste Zeit bin ich aber alleine.
Stattdessen ziehe ich mich auf ein halbwegs windgeschütztes Fleckerl zurück, während zuerst eine Dreiergruppe vom Gipfel absteigt und später ein Wanderer-Paar aus Richtung Höllkamp herauf kommt. Eigentlich hatte ich mich heute auf faszinierende Fotos vom „Oberen Ring“ gefreut, das diesige und zunehmend bewölkte Wetter machte mir aber einen Strich durch die Rechnung.

Die Felsumrahmung der „Ringe“ kam bei den heutigen Sichtverhätlnissen nicht richtig zur Geltung. Vielleicht hätte ein besserer Fotograf/Bildbearbeiter mehr herausholen können (Klick zur Vergrößerung).
Schade. Aus Fotomotiv Nummer 1 – den Ringen würde also nur bedingt etwas werden. Auch Fotomotiv Nummer 2 müsste ich wohl abschreiben. Die Einheimischen, die über die Wasserfallschlucht herauf gekommen waren, hatten ja nirgendwo Steinböcke entdeckt – auch nicht unten im Ochsenreichkar wo sie sich sonst bei Wind gerne aufhalten. Allerdings erhielt ich den Tipp, dass sie bei solchen Wetterverhältnissen nicht ungern weiter Richtung Hochschwab schützende Mulden aufsuchen. Richtig motiviert war ich nicht mehr. Zum Sitzen zu kalt, zum Fotografieren zu schiach … und überhaupt: Wie ungerecht doch die Welt ist 😉 . Und so wollte ich nach weiteren Versuchen, den Ring-Blick treffender abzulichten, eigentlich gleich wieder absteigen.

Tiefblick in den Oberen Ring. Gegenüber die Hochweichsel, auf der wir vor 3 Wochen gestanden sind. In der Folge haben wir einige der Erhebungen auf der rechten Bildseite überschritten.

Ausblick zur Voisthalerhütte (rechts der Bildmitte), an der wir vor 3 Wochen ebenfalls vorbeigekommen sind.
Enttäuscht von den Lichtverhältnissen und den fehlenden Steinböcken im Gebiet Ochsenreichkar / Hutkogel, dort wo wir sie vor 3 Wochen dutzendweise gesehen haben, und genervt vom permanenten böigen Wind, der für leichtes Frösteln sorgte, mache ich mich auf den Rückweg.

Zurück am breiten Grat Richtung Westen zum Ringkamp-Vorgipfel. Der Hochschwab im Hintergrund verschwindet zeiteise ganz hinter den Wolken. Rechts hinten die Riegerin, ebenfalls eine sehr schöne Hochschwab-Nordseiten-Wandertour.

Im Weihbrunnkessel entschied ich mich dann doch noch einmal anders. Ich wollte es zumindest „sportlich“ sehen und einige Höhenmeter Richtung Hochschwab wandern. Mein GPS machte mich darauf aufmerksam, dass dieser unscheinbare Hügel nebst dem markierten Wanderweg einen Namen hat und immerhin über 2.000 Meter Höhe aufweisen kann. Also steuerte ich mein letztes Ziel für heute an – den von einem Steinmandl gekrönten Rotgangkogel.
Kurz vor dem Rotgangkogel – in einer Mulde: Große Freude – waren das nicht die imposanten Hörner eines Steinbocks. Den wollte ich auf jeden Fall noch fotografieren. Und damit die Mitnahme meines Teleobjektivs nicht gänzlich umsonst war, wechselte ich dieses noch schnell mit dem Standardobjektiv. Auch wenn ich wusste, dass ich vermutlich ohnehin so nah an das Tier herankommen würde, dass ein Tele gar nicht notwendig war. Und auch wenn ich insgeheim hoffte: Dort wo ein Steinbock war, könnten ja durchaus auch mehrere sein. Ich kam näher an die Mulde heran … und … war begeistert. Tatsächlich, wie erhofft.

Auch heute sind die Steinböcke wieder alles andere als scheu. Direkt neben dem Wanderweg lassen sich sich von den vorbeihuschenden oder verweilenden Wanderern nicht aus der Ruhe bringen.
Was jetzt folgte war eine eineinhalbstündige Orgie an Fotoshootings. Mal diese und mal jene Gruppe und dann wieder der Rudel von ganz am Anfang. Dort eine Gruppe auffallend großer männlicher Tiere mit den längsten Hörnern. Dort eine Ansammlung von Kleintieren und halbstarken Teenagern, die sich im Gerangel oder im „Kinderspiel des Bockspringens“ übten. Dort am Gegenhang Tiere, die wie tot in der Wiese liegen und wohl dem entspannenden Schlaf frönen, da ein Tier, welches entweder einem Holzpfahl den Krieg angesagt hat oder sich einfach zwischen den Hörner kratzen möchte. Kratzen war neben Fressen überhaupt die Hauptbeschäftigung der majestätischen Steinböcke und fast vermeint man, auch selbst den Juckreiz zu spüren, der die Tiere quält. Wer mit Steinböcken nichts anzufangen weiß, kann die folgenden 21 Fotos getrost überspringen.

… und das immer und immer wieder, während seine Klassenkameraden das spielerische Hörner-aneinander-Stossen bevorzugen

… und zumindest im Norden richtig schön. Dennoch muss ich mich losreissen und mache mich wieder auf den Weg zurück. Vor mir der Ringkamp.
Eigentlich wollte ich um 18:00 Uhr zum Familienessen zu Hause sein. Daraus wird wohl nichts – daraus wird sicher nichts. Denn nach dem Abstieg über den Anstiegsweg wartet ja noch die 2-stündige Heimfahrt. Liebe Ingrid, jetzt hast Du zumindest die Fotos gesehen, weshalb ich nicht rechtzeitig nach Hause kam (zumindest den ersten Grund für meine Verspätung). Am Abstiegsweg machte ich nicht mehr allzu viele Fotos (bzw. Filme). Mit wenigen Ausnahmen: Einmal waren es einige Gämse, die meinen Weg im Schotterkar kreuzten.

… wo mich jetzt einige Gämse (mit Jungem) etwas näher heranließen. Zwar bei weitem nicht so nah wie die Steinböcke …

Zwar hätte es auf der anderen Seite des Kessels auch noch Gämse gegeben, aber für heute hatte ich genug. Abwärts mit rascherem Schritt …

… bis zur Edelbodenalm, wo ich neuerlich aufgehalten werde. Wiederum von Getier: Dieses Mal sind es Hummeln , die immer wieder in den Blütenkelchen wunderschöner blauer Blumen verwinden …

Heute werde ich wohl ordentlich zu spät kommen. Die Salza liegt noch weit unter mir. Versuche zu Hause anzurufen, fruchten nicht: Kein Netz

Liebste Ingrid, ich schwöre (mit gekreuzten Fingern): Abgesehen von den Steinböcken, den Gämsen und den Hummeln war diese Blindschleiche, der man das Bauchwech (Siehe unterer Bildrand) schon im Gesicht (oben) ansehen kann, der einzige weitere Grund für meine Verspätung – es gab sonst sicher keine Gründe mehr 🙂
Ziemlich weit oben in diesem Bericht habe ich ja erwähnt, dass ich auf der Forststraße knapp oberhalb einer Seehöhe von eintausend Metern auf einen Brunnen getroffen bin, der Vorfreude auf den Abstieg machte. Hier wollte ich Flüssigkeit „schöpfen“.

Mehrfach habe ich hier wieder versucht, zu Hause meine Verspätung anzukündigen. Die Netzverfügbarkeit hatte mit meinen Bemühungen aber kein Einsehen. Und noch einmal sei darauf hingewiesen, dass diese Genußviertelstunde (wenn überhaupt so lange) in keinster Weise mit meinem Zuspätkommen in Zusammenhang steht.
Nach der Gösser-Stärkung geht es weiter bergab. Über die Forststraße und durch den Wald.

6 Uhr schlägt die Uhr, als ich meinem Ausgangspunkt in Weichselboden näherkomme. Im Bild sieht man fast den gesamten Ort 😉
Wie bereits eingangs erwähnt gibt es auch im Ortszentrum einen „gut gefüllten“ Brunnen. Waren es oben auf der Forststraße Gösser und Zipfer, dominiert hier im Tal Puntigamer.
Fazit der Tour:
Ich mag die ruhigen, einsamen und langen Wandertouren auf der Nordseite des Hochschwab (wie z.B. Riegerin, Großer Grießstein oder Geiger). Heute hat zwar nach einem großartigen Start um die Mittagszeit alles eher nach einer wettermäßig und damit fototechnisch eher enttäuschenden Tour ausgesehen. Aber die besonderen Eindrücke bei den Steinböcken, Gämsen und Hummeln haben die zwischenzeitliche Enttäuschung mehr als wettgemacht. Und als krönender Abschluss: „Beim Wasserl“ kann man sich (selbstverständlich nach Einwurf „kleiner Münzen“) ein Bierli fischen. Da darf es dann ausnahmsweise schon vorkommen, dass man sich zu Hause verspätet 😉 .
Liebe Grüße – Dein / Ihr / Euer Christian