Nach dem gestrigen Erholungs-Spaziergang um die Langbathseen in Oberösterreich stand heute wieder eine anspruchsvollere Bergtour am Plan. Tagwache war um 03:00 Uhr früh. Nachdem wir jetzt bereits zwei Mal am Ötscher in Niederösterreich und am Rauchkofel in Kärnten an der Grenze zu Italien die Erfahrung gemacht hatten, dass sich nach einer 2,5 stündigen Anfahrt durchaus noch eine bis zu 10-stündige Wanderung samt Rückfahrt an einen Tag ausgeht, war das heutige Ziel eine neue Gebirgsgruppe in Tirol: Das Kaisergebirge.

Unterwegs am teilweise ausgesetzten Gamsängersteig im Kaisergebirge. Rechts erkennt man die Gruttenhütte.
Als ich mir vor 14 Jahren den „Klettersteig-Guide Österreich“ von Csaba Szépfalusi in der Ausgabe von 2003 kaufte, waren es 2 Bilder, die mich besonders faszinierten. Da war zunächst das Cover-Bild von der Ewigen Wand am Predigstuhl, welchen wir 2005 besuchten. Und dann war da noch dieses Foto vom Gamsängersteig auf die Ellmauer Halt, wo etliche Trittbügel über einer schottrigen, steinschlaggefährdeten Rinne an der Jägerwand den Aufstieg erleichtern.
Anfahrt über das Kleine Deutsche Eck und weiter nach Ellmau, wo sich die gerade aufgehende Sonne über den Loferer Steinbergen eindrucksvoll als blutrote Kugel zeigt. Vom Ort führt die Straße nordwärts hinauf zur Wochenbrunneralm, die letzten Kilometer auf einer mautpflichtigen Straße (Von den 4,00 Euro werden 1,50 Euro bei Verzehr auf der Wochenbrunner Alm rückvergütet).

Unzählige Steinmandln in allen Größen zeigen, dass die Wochenbrunneralm auch bei Kindern sehr beliebt ist.
Die sehr großzügig angelegten Parkflächen lassen erahnen, was sich hier an Spitzentagen abspielt. Heute unter der Woche und am Ende der Urlaubssaison und am frühen Morgen waren aber noch mehr als ausreichend freie Plätze vorhanden. Wir folgen dem Wegweiser zur Gruttenhütte. Der Gipfel der Ellmauer Halt ist mit mehr als 4 Stunden angeschrieben. Das erscheint uns angesichts der nur etwas mehr als 1.200 Höhenmeter sehr großzügig, mag aber der anspruchsvollen Route geschuldet sein.
An unzähligen kleinen und größeren Steinmandln vorbei (ein Anzeichen, dass hier auch viele Kinder unterwegs sind) führt uns der Steig im Wald bei angenehmen Morgentemperaturen bergwärts. Der gestrige „Ruhetag“ mit ca. 18 Kilometern und 530 Höhenmetern hat uns gut getan. Die Beine sind wieder locker und „gieren“ geradezu nach Felsberührung. Nach knapp einer Stunde haben wir die Gruttenhütte erreicht, wir waren zwar nicht die Langsamsten aber auch keinesfalls die Schnellsten, wie ein uns kurz vor der Hütte überholender Bergläufer bewies.
Von der Hütte geht es ohne Unterbrechung weiter und wir näheren uns einem großen mit Felsblöcken gesäumten Schotterfeld an der Südseite der Ellmauer Halt, mit 2.344 Meter Höhe der höchste Gipfel des Kaisergebirges. Am oberen Nordostende des Schotterfeldes führt der Steig nun in die Felsen hinein und über schuttbedeckte Grasbänder hinweg. Die Kletterhelme hatten wir angelegt, schließlich war es die beschriebene Steinschlaggefahr am stark frequentierten Steig, die uns bis jetzt jahrelang von einem Besuch des als schwierig bezeichneten Berges abgehalten hat.
Aber bei trockenen Verhältnissen wird der geübte, trittsichere und schwindelfreie Bergwanderer keine Probleme mit dem Gelände haben. Und so haben wir auch auf die Klettersteig-Sicherung verzichtet. Da uns dieses neben den gesicherten Steigpassagen auf den Kletterabschnitten im I. Schwierigkeitsgrad ohnehin nicht weiter geholfen hätte und sich neben der Sicherung auch so viele ausgezeichnete Tritt- und Griffmöglichkeiten für anregende Felsturnereien bieten.

Vom Schotterfeld geht es am Gamsängersteig über ein schmales Steiglein auf Gras- und Felsbändern (von rechts in die Bildmitte).
Aufpassen muss man nur, dass man keine Steine auf die weitere unten gehenden Wanderer hinablässt bzw. die weiter oben Gehenden keine Gefahr darstellen. Aber bei unserem Besuch waren wesentlich weniger Bergsteiger unterwegs, als befürchtet. Problematisch sind eigentlich ohnehin nur jene, die bereits teilweise beim Aufstieg über ihren konditionellen und mentalen Verhältnissen nach oben stolpern.
Wir haben die leichten Kraxeleien genossen. Und dann kam die Jägerwand. Anfangs denkt man sich noch, die Eisenbügel wären überflüssig. Weiter oben sind sie aber doch eine sehr große Erleichterung über dem abschüssigen, erdigen Steig.
Danach folgt wieder ideales Klettergelände im leichtesten Grad hinauf zu einer markanten Felsnadel. Genial. Ich liebe diesen Berg. An einigen Stellen sind die Felsen schon gehörig poliert – die Drahtseile unterstützen dort aber wieder gut weiter.
Bei einer Weggabelung hat man die Wahl: Rechts sehr steil über ein glattes Felswandl und Eisenstifte nach oben oder nach links durch eine finstere Schlucht und über eine überhängende Stahlleiter (unsere Variante). Weiter oben treffen beide Varianten wieder zusammen.
Nach einem breiten Quergang und einem kurzen Anstieg erreichen wir die kleine an die Felsen gelehnte Babenstuberhütte.
Und von dort ist es nicht mehr allzu weit zum höchsten Punkt auf der Ellmauer Halt, die sich just bei unserer Ankunft mit Nebel umgibt. Etliche Bergsteiger umlagern das Gipfelkreuz, aber bereits 3 Meter weiter unten gibt es noch genügend Rastplätze, die wir uns mit den hungrigen Bergdohlen teilen.

Bei unserer Ankunft ist es nicht gerade einsam beim Gipfelkreuz auf der Ellmauer Halt. Aber bereits wenig später sind wir mit den Bergdohlen alleine.
Den Ausblick in die Hohen Tauern zum Großvenediger oder Großglockner verhindert heute nicht nur der Nebel, der die Gipfelregion zeitweise einhüllt, sondern auch der Dunst der heißen Luft. Aber zumindest sollte es heute gewitterfrei bleiben. Trotz des Nebel oder teilweise sogar wegen ihm ergeben sich eindrucksvolle Fels-Impressionen und der Nebel löst sich auch immer wieder einmal auf und gibt den Talblick nach Ellmau frei.
Gestärkt durch die Jause machen wir uns wieder an den Rückweg. Mittlerweile ist es still hier am Gipfel geworden. Kurzzeitig waren wir sogar ganz alleine und die nächsten Gipfelaspiranten kommen uns erst beim Abstieg entgegen. Einige plagen sich schon sichtlich, teilweise verursacht durch das sie überfordernde Gelände, teilweise aber auch durch die nun schon recht stark spürbare Mittagshitze.
Teilweise kommt es nun tatsächlich zu kleineren „Staus„. Für den Aufstieg um diese Zeit wäre es uns viel zu spät. Eine Wanderin muss wieder umkehren, weil ihr Hund beinahe kollabiert. Ein Vater mit seinem Sohn (vielleicht 10 bis 12 Jahre) erkundigt sich nach einer leichteren Anstiegsroute. Und bei manchen Wanderern fragt man sich wirklich, warum sie sich unbedingt in dieses exponierte Gelände begeben wollen, das sie so offensichtlich stresst.
Wir lassen den Gamsängersteig wohlbehalten hinter uns, Steinschlaghelm und Klettersteighandschuhe können abgelegt werden. Im Sauseschritt geht´s am Anstiegsweg zurück zum Ausgangspunkt bei der Wochenbrunneralm.
Beim Nachhauseweg gönnen wir uns noch ein Fußbad im Pillersee, den ich bei meinem Besuch am Gr. Hinterhorn (Mitterhorn) im Jahre 2013 von oben bewundert hatte.
Fazit der Tour:
Die Ellmauer Halt als leicht zu bewerten wäre mehr als überheblich. Für mich hat der Berg aber die richtige Mischung aus anregender leichter Kraxelei im stellenweise ausgesetzten Gelände und doch einer beruhigenden Sicherheit durch die vielen Sicherungseinrichtungen (Drahtseile, Trittbügel, Stahlleiter). Steinschlaghelm sollte obligatorisch sein, Klettersteighandschuhe sind ungemein hilfreich und für den nicht ganz Schwindelfreien / Trittsicheren empfiehlt sich ein Klettersteigset.
Zudem ist die Tour mit etwas über 1.200 Höhenmeter auch nicht allzu lang. Man sollte aber auf Grund der südseitigen Ausrichtung auf jeden Fall schon zeitig starten, um nicht beim Aufstieg in die Mittagshitze zu kommen.
Liebe Grüße – Dein / Ihr / Euer Christian