Bevor ich zum Abschluss des Jahres 2017 einen Blick zurück auf das vergangene Wanderjahr werfen möchte, gibt es heute noch einen anderen Rückblick: Kaum zu glauben wie rasch die Zeit verrinnt, und mit zunehmendem Alter, zurückweichendem Haaransatz und wachsenden Speckröllchen um die Leibesmitte erschreckenderweise immer rasender. Aber heuer absolvierten mein ehemaliger Arbeitskollege (bereits mehr als 20 Jahre ist es her) und nun seit einer Dekade auch guter Wanderkamerad Martin und ich doch tatsächlich bereits unsere zehnte alljährliche Gemeinschaftstour.
Imponierend war Martins Fotografen-Entwicklung zu beobachten. Während er bei der allerersten Wanderung auf den Krügerzinken noch gänzlich ohne Fotoapparat unterwegs war, hat er sich mittlerweile zu einem gut gebuchten, ausgezeichneten Natur- und Pressefotografen gemausert.
Die Wanderungen mit Martin zählen jedes Jahr aus alpinistischer und fotografischer Sicht zu den Höhepunkten meiner Wandersaison und ich genieße es, neben dem „Klicken“ seiner Profi-Ausrüstung auch meinen Fotoapparat „spazieren zu führen“, und dabei sein ausgefuchstes Auge für Bildkompositionen und Detail-Feinheiten zu verfolgen.

Ob auf einem Stein im See knieend, im nassen Gras liegend oder vor einem Abgrund: Bei der Suche nach der besten Bildkomposition zeigt Martin immer vollsten Einsatz
Auch dieses Mal waren wir wieder in den Schladminger Tauern rund um die Gemeinde Rohrmoos unterwegs, und unsere heurige Tour startete dort, wo die letztjährige endete: Nämlich bei der Eschachalm im hinteren Obertal. Unterwegs stellte ich noch mein Auto in Hopfriesen nahe dem ehemaligen Ghf. Tauerngold ab, da wir hier vom Giglachsee herabzukommen planten.
Von der Eschachalm Richtung Süden zogen wir – aus Gründen der angenehmeren Kommunikationsmöglichkeit – die Forststraße dem engeren Waldsteig vor und gelangten so zur Neualm und über den jedes Mal wieder eindrucksvollen Almboden in den hinteren Talschluss nahe der Keinprechthütte.
Hier kamen bei einer namenlosen Lacke, in denen sich die umliegenden, schneebedeckten Gipfel sowie die gleißende Sonne spiegelten, erstmals die Fotoapparate intensiver zum Einsatz. Goldgelb bis orangebraun leuchteten die herbstlich gefärbten Lärchen.
Vor uns wartete jetzt ein steilerer Aufschwung Richtung Westen. Das Steiglein windet sich geschickt und bei trockenen Verhältnissen unschwierig begehbar in die Kruckeckscharte hinauf. Unterwegs trafen wir auf eine etwas gelangweilt wirkende Gams und weiter oben auf 2 Schafe, die wohl den Abtrieb versäumt hatten.
Nach uns kamen einige Wanderer nach. Während sie aber am markierten Wanderweg Richtung Rotmandlspitz blieben, zweigten wir über das schneebedeckte, nur mäßig ansteigende Plateau Richtung Südwesten ab. Gelegentlich zeigten aus dem Schnee herausragende Steinmandln die „Idee einer Wanderroute“ – offiziellen Wanderweg gibt es hier ja keinen.

In der Kruckeckscharte verlassen wir die markierte Wanderroute und steigen weglos über Schneefelder höher.
Und so war ich auch bei meinen bisherigen Besuchen in diesem Gebiet vornehmlich im Winter unterwegs. Sei es mit Schneeschuhen vom Giglachsee herauf oder mit Tourenschi über den Duisitzkarsee.
Wie jedes Jahr gab es viel zu erzählen. Ernstes, interessantes, philosophisches – meist aber humorvolles. Und so manches Geschichterl sorgte nicht nur für Kurzweil, sondern auch für die bereits obligatorischen „Bauchmuskel-Strapazen“.
Was haben wir heuer besonders gelernt?
- Man kann sich im Flugzeug nicht aussuchen, wer neben einem sitzt.
- Die Tour de France ist auch bei Regen ein Highlight.
- So manches unbekannte Geflügel-Brüsterl schmeichelt dem Gaumen.
- Und vor allem: Wie man einen alten Schulfreund nicht begrüßen sollte – vor allen nicht vor einer Festversammlung.

Unsere Wanderroute im Uhrzeigersinn von der Eschachalm über die Keinprechthütte auf die Vetternspitzen
Und schließlich standen wir am östlichen Gipfel der Vetternspitzen. 2.524 Meter hoch und nunmehr neben dem Gipfelbuch sogar mit einem kleinen, netten Gipfelkreuz versehen. Und hier zelebrierten wir auch eine weitere Tradition: Die Huldigung des Gerstensaftes – nach mehr als 1.300 Aufstiegshöhenmetern wohlverdient und ausgesprochen köstlich.
Und das alles bei herrlich-angenehmen Temperaturen. Das lange Warten auf „den Traumtag“ bis Mitte Oktober hat sich also auf jeden Fall wieder ausgezahlt, nachdem wir im Vorjahr am Elendberg etwas Wetterpech hatten und auch das Fotolicht nicht das beste war.
Im Süden unter uns faszinierten die Seen im Knappenkar. Überhaupt war diese Tour eine sehr „seenreiche“ – wenngleich wir die Gewässer überwiegend nur aus einiger Entfernung überblicken konnten.
Majestätisch zeigt sich die Bergwelt um den Hochgolling. Imposant aber auch rundum die vielen anderen Gipfel, von denen wir einige in den letzten 10 Jahren erstiegen hatten.
Nach ausgiebiger Rast und zahlreichen Fotos machten wir uns gestärkt wieder auf den Weg. Zunächst zur westlichen Vetternspitze, die einen herrlichen Tiefblick über die beiden Knappenseen nordwestlich unter uns erlaubt. Dieses Gebiet würden wir im Abstieg durchschreiten.

Tiefblick zu den Knappenseen, bei denen wir im Abstieg vorbeikommen werden (nicht zu verwechseln mit den Knappenkarseen).
Zunächst aber zog es uns aber unschwer über einen kurzen Anstieg zum seit meinem letzten Besuch ebenfalls neu hinzugekommenen Gipfelkreuz am Sauberg (2.520). Das erste Bierchen hatte selbst auf diesen paar Aufstiegsmetern für schwere Beine gesorgt.
Wir hegten die Hoffnung, diese Schwere in den Beinen durch ein weiteres Hopfensäftchen zu vertreiben. Im Norden lagen die Buckelkarseen und der Duisitzkarsee unter uns. Wie jedes Jahr wurde auch heuer wieder der „Zerstampfen“ der Bierdosen zwecks einfacherer Transportierbarkeit zelebriert („Rumpelstilzen“ 😉 ).
Unsere Hoffnung hat sich erfüllt. Geschmeidigen Fußes machten wir uns nun an den (sehr) steilen Abstieg durch eine steinige Rinne hinab zu den Knappenseen, wo sich uns wieder herausragende Foto-Motive boten.
Danach folgten wir dem markierten Wanderweg, der vom Rotmandlspitz herabkommt, Richtung Giglachsee und weiter nordwärts über eine weites, teilweise sumpfiges Plateau, mit herbstlich gefärbten Gräsern und Bäumen. Eine unglaubliche Idylle und Ruhe im letzten Licht der um diese Jahreszeit schon rasch tiefer stehenden Sonne.
Da hatten wir ja noch etwas im Rucksack. Neben den von Martin jedes Jahr im Dutzend mitgebrachten Würsten gab es ja noch ein durstlöschendes „Döschen“.
Allmählich aber mussten wir uns nun sputen. Denn rasch würde es dunkel werden. Oberhalb des Landauersee´s und am Knappenkreuz vorbei, blieben wir in der einbrechenden Dämmerung die ganze Abstiegsroute über nun auf der Forststraße und erreichten schließlich mein Auto beim Parkplatz Hopfriesen.

Beim Abstieg oberhalb des Landauersees zieht sich die Sonne nun rasch zurück und macht der einbrechenden Dämmerung Platz
So, schnell den Schlüssel heraus. Nein, im Rucksack – wie sonst üblich – ist er heute nicht. Ach ja: Ich hatte ihn ja in der Jacke eingeschoben. Moment. Der Reißverschluß der Jackentasche ist offen. Sollte ich ihn verloren haben? Nein. Unmöglich. Noch einmal den Rucksack übergedreht. Verflixt. Wie war das heute am Morgen. Ich hatte den Kofferraum geöffnet und meine Wanderschuhe „bearbeitet“ (die zum Trocknen herausgenommen Einlagen hineingeschoben – und nicht wie Martin in der Morgendämmerung vermutete, Semmeln zum Auftauen eingelegt).
Das darf ja nicht wahr sein. Nachdem der Rucksack mehrmals „übergedreht“ wurde und auch sämtliche Taschen in Hose und Jacken erfolglos durchsucht wurden, musste Martin seine Frau anrufen und bitten, dass sie uns zur Eschachalm hineinfährt. Peinlich.
Nur um sämtliche Missverständnisse auszuräumen. Dieses „Schlüsselerlebnis“ hat absolut nicht mit den zuvor konsumierten Bierchen zu tun, die sich über die vielen Stunden mittlerweile ohnehin schon längst wieder den Weg durch die Schweißdrüsen gebahnt hatten bzw. … aber das gehört nicht hierher 😉 .
Bei der Fahrt zur Eschachalm – mittlerweile war es schon ziemlich dunkel und zum Gehen wären wir nach dieser Tour über mehr als 23 Kilometer und 1.400 Höhenmeter schon zu müde gewesen – war ich mir sicher: Den Schlüssel habe ich morgens versehentlich beim Auspacken des Rucksacks im Kofferraum liegen gelassen.
Schnell zum Auto, Martin sperrt auf, Kofferraum auf – wieder kein Schlüssel. Das war mir noch nie passiert, normalerweise hatte ich beim Aufbruch meine automatisierten Handgriffe. Alzheimer? Endlich die erlösenden Worte von Martin: Ich hatte den Schlüssel in das Ablagefach bei der Beifahrertür hineingelegt.
Martin, ich hoffe, Du nimmst mich auch künftig trotz meiner zunehmenden Senilität noch mit. Daniela, herzlichen Dank für´s Reinfahren zur Eschachalm.
Bisherige Gemeinschaftswanderungen mit Martin
- Krügerzinken – 06.08.2008 (1.340 hm – 15,3 km – 8,25 Std)
- Wildkarsee – 08.09.2009 (1.330 hm – 16,1 km – 7,5 Std)
- Stegerkar – Wildkar – Herzmaierkar – 22.08.2010 (1.560 hm – 21 km – 11,5 Std)
- Steinkarzinken – Seekarzinken – Sonntagkarzinken – 10.09.2011 (1.670 hm – 19,7 km – 11,25 Std)
- Engelkarspitze 06.10.2012 (1.110 hm – 13,5 km – 8,5 Std)
- Klafferkessel – Greifenstein – 03.08.2013 (1.690 hm – 24,5 km – 12,25 Std)
- Elendbergsee – Pfeifer – 11.10.2014 (1.730 hm – 22,9 km – 12 Std)
- Duisitzkarsee – Murspitzen – 26.10.2015 (1.290 hm – 20,8 km – 10 Std)
- Elendberg 2.0 – Eiskarsee – 07.08.2016 (1.550 hm – 20,5 km – 11 Std)
- Vetternspitzen – Sauberg – 14.10.2017 (1.435 hm – 23,5 km – 11,75 Std)
Landkartenausschnitte © BEV 2009, Vervielfältigt mit Genehmigung des BEV © Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen in Wien, T2009/52304
Welche unserer Touren nun tatsächlich die schönste war, ist schwer zu sagen. Man neigt ja dazu, immer den letzten Erlebnissen den Vorzug zu geben. Aber die heurige Jubiläumstour gehört sicher zu den Top-Erlebnissen mit Martin und auch zu einem der Highlights meines Wander-Jahres 2017.
Liebe Grüße – Dein / Ihr / Euer Christian