Es gibt Bergtouren, die haben das gewisse – das besondere – Etwas. Sie heben sich von den anderen Touren ab und bleiben intensiv im Gedächtnis hängen. Am 8. Juni 2017 durfte ich wieder einmal so eine herausragende Wanderung in einer – zumindest oberhalb der Zwieflerseen – sehr einsamen Gegend erleben. 9 1/2 Stunden war ich unterwegs und habe dabei keine Menschenseele getroffen.
Die besonderen Eindrücke dieses Tages begannen bereits zu Hause bei der Abfahrt. Dichter Nebel und Temperaturen im einstelligen Bereich erinnerten eher an einen trüben Herbsttag. Aber schon bald – bei der Auffahrt auf der Sökpaßstraße – zeigte sich wolkenloser blauer Himmel. Die höheren Bergspitzen allerdings ließen erkennen, dass der gestrige starke Regen im Tal weiter oben in Form von Schnee zu Boden gegangen ist.
Die saftig-grünen Almwiesen bildeten einen besonders intensiven Kontrast zum reinen Weiß des frischen Neuschnees. Und darüber der weitgehend ungetrübt blaue Himmel. Phantastisch. Unterhalb der Erzherzog-Johann-Hütte verzog sich ein Hase in den Wald, weiter oben vor dem Kaltenbachalm-Parkplatz zeigte sich kurz sein Vetter, ehe auch er ins Unterholz entfleuchte. Anfängliche Bedenken wurden Gottseidank zerstreut: Am Sölkpaß lag kein Schnee – recht frisch war es aber allemal.

Warnung vor dem Stier
Und auch beim Ausgangspunkt nahe der Kreutzerhütte beim Parkplatz Zwieflersee / Katschtal zeigte das Thermometer lediglich zarte 2 Grad Celsius. Zumindest Plus. Das Wandergebiet westlich der Sölkpaßstraße gehört übrigens bereits zu den (südlichen) Schladminger Tauern und nicht zu den Rottenmanner und Wölzer Tauern wie irrtümlich in einem Tourenportal vermerkt ist. Von der Straße führt der markierte Steig gleich in den Wald hinein und zu einer nahen Alm. Die heutige Rundtour startet und endet mit einer Warnung: Vor Weidevieh und bösen Stieren.
Beim Gehen wurde es in der Sonne rasch angenehm warm, aber den ganzen Tag über nie heiß. Ideales Wanderwetter also. Den Wanderweg hinauf zum Unteren Zwieflersee hatte ich bereits vor 11 Jahren mit meiner Liebsten beschritten, als wir zum Gipfel des Eisenhut aufstiegen.
An die Routenführung konnte ich mich allerdings nicht mehr konkret erinnern. Richtig spannend wurde es heute ab dem See, denn nun würde ich mir über lange Zeit weglos eine Route zum Schöderkogel suchen. Dieser Gipfel, den ich im Jahre 2008 im Anschluss an Sauofen und Rupprechtseck quasi im Vorbeigehen mitnehmen wollte, war heute mein Hauptziel. Damals vor 9 Jahren hatte mir der Gipfel den Zutritt auf den letzten 40 Höhenmetern verwehrt.
Der Schöderkogel ist eben kein Gipfel, den man so nebenbei geschenkt bekommt. Davon zeugen auch manche Gipfelbucheinträge wie „endlich im 4. Anlauf geschafft“ oder „fordernder Steig“.
Aber so weit war ich noch lange nicht. Zunächst einmal musste ich mich am Ostufer des Unteren Zwieflersee´s durch dichtes Latschengestrüpp bis zum Abflußbach durchschlagen. Auf Grund der gestrigen starken Regenfälle und der Schneeschmelze war der Bach a) recht tief und b) ziemlich reißend. Die Schuhe ausziehen und drüben mit trockenen Füßen weiter? Ich entschied mich dagegen.
3 bis 4 Schritte im Bach und ich war nassen Fußes am nordseitigen Ufer angekommen. Weiter ging es durch einen abermals dichten Latschengürtel und weiter oben über steile, ruppige Almrauschhänge. Besser wurde es erst, als ich einen Wildsteig entdeckte, der mich nun gut über die Waldgrenze leitete. Und schließlich traf ich sogar auf einen in den meisten Wanderkarten nicht verzeichneten Almweg, der bis zu einem schönen Hochplateau mit Hochsitz südlich des 2.191 Meter hohen Zinken führt.
Auf der von unzähligen „Struwwelpeter-Grasbüschel“-bewachsenen Wiesen-Hochfläche war der Neuschnee bereits wieder geschmolzen. Dennoch waren die Almmatten noch triefend mit Wassers vollgesogen. Über die Südflanke stieg ich zum höchsten Punkt des Zinken hinauf und genoss die tolle Rundumsicht. Im Süden die Zwieflerseen und darüber der markante Eisenhut. Weiter westlich der Gratverlauf über Sulzkogel und Arkogel, das Breitdach und schließlich mein Gipfelziel – der Schöderkogel.

Der Gratverlauf vom Eisenhut (links) über Arkogel und Breitdach zum Schöderkogel (rechts) (Klick zur Vergrößerung)
Und auf halbem Weg zwischen Zinken und Schöderkogel der markante Punkt 2.288, der in Auferbauers „Bergtourenparadies Steiermark – Alle 2000er vom Dachstein bis zur Koralpe“ als Gruberkarspitz bezeichnet wird. Nördlich davon das Gruberkar mit dem Grubersee. Ich war weiterhin weglos unterwegs, die Route bis zum Schöderkogel ist aber durch das Gelände klar vorgezeichnet.
Beim Aufstieg vom Grubersee zu einigen kleinen Lacken, die grün durch die Schneedecke durchschimmerten, konnte ich mich gegen den Wind an 2 Gämse heranpirschen und sie einige Zeit lang beobachten. Spontan beschloss ich dann, auf das 2.451 Meter hohe Breitdach aufzusteigen. Es gab zwar noch immer eisige Stellen, diesen konnte ich hier am steilen, aber unschwierigen Wiesenrücken aber einfach ausweichen. Der 2. neue Gipfel heute bereits und beide eigentlich gar nicht geplant.
Denn mein eigentliches Gipfelziel lag weiter im Norden und dort würde es wohl etwas schwieriger werden. Zunächst wieder ein kurzes Stück im bereits bekannten Gelände zurück – den direkten Gratübergang traute ich mir nicht zu. Dann über einen Kamm in ein weiteres Kar, welches von großen Felsblöcken gesäumt ist. Und hier lag auch noch einiges an Schnee – alter und neuer.
Jetzt war es an der Zeit für eine kleine Stärkung und eine kurze Rast vor dem Gipfelanstieg. Über grobes Blockgestein steige ich hinauf auf den Grat. Die leichteste Stelle hatte ich mir da aber nicht ausgesucht. Deshalb zunächst wieder etliche Höhenmeter auf teils wackeligen Felsplatten abwärts und hinauf in eine Grasrinne. Sollte es wirklich da in diese steile Rinne über rutschige Felsplatten raufgehen? Da und dort ein stechendes Grasbüschel zum Anhalten. War ich hier womöglich wieder falsch?
Da – eine gelbe Tourenschischuhschnalle. Nein, hier musste ich richtig sein. Hier war zumindest schon jemand vor mir. Aufwärts geht es über die glatten Felsplatten ja einigermaßen. Aber absteigen könnte hier unbequem werden, zumal es noch immer einige Neuschneeflecken gab. Schließlich rauf auf den Wiesenrücken und zuletzt wieder flach am Wiesengrat zum „halbhohen“ Gipfelkreuz am Schöderkogel.
Einträge im Gipfelbuch zeigen, dass hier nicht allzu häufig jemand raufkommt, aber doch über das ganze Jahr verteilt immer wieder. Wobei sich hauptsächlich 3 Namen im Gipfelbuch finden. Heute hatte ich es also geschafft. Von der anderen – der südlichen – Seite. Jetzt war ich neugierig, wo ich da im Jahr 2008 letztlich gescheitert war. Einige Steinmandln zeigen den einfachsten Weg. Aber hier und da lässt es sich nicht vermeiden, dass man Hand an den Fels legen muss. Und justament bei den schwierigsten Stellen war hier auch am Nachmittag noch Eis vorzufinden, was den Abstieg nicht gerade erleichterte.
Schließlich erreichte ich jene Stelle, an der ich vor 9 Jahren umkehren musste. Tatsächlich – der Ansatz eines vermeintlichen Steiges auf der Ostseite hat mich hier damals in die Irre geleitet. Direkt über den Felsen habe ich es mir nicht zugetraut, zumal ich ja nicht wusste, wie es oben weitergehen würde. Es wäre aber eine Alternative. Die einfachste Route führt aber kurz auf einem ausgesetzten Wiesenhang auf der Westseite entlang, ehe es wieder hinauf auf den Grat und hinüber zum nahen Gipfelkreuz geht.
So, geschafft. Die Schwierigkeiten liegen hinter mir. Jetzt folgt nur noch einfaches Gehgelände. Hinab in den Sattel zwischen Schöderkogel und Sauofen und nach einigen Schneefeldern talwärts hinaus zum Katschbach und auf der Forststraße – vorbei an einigen Jagdhütten und bösen Stieren – zurück zum Ausgangspunkt.
Die am Vormittag noch schneeweißen Gipfel waren mittlerweile wieder „ergrünt“. Ich hatte genaue DEN richtigen Zeitpunkt für diese wunderschöne Rundwanderung über 20 Kilometer und 1.500 Höhenmeter erwischt. Einerseits fotogener Schnee am Vormittag und andererseits überwiegend apere Felsen am Nachmittag beim Abstieg.
Ganz abgeschlossen habe ich mit dem Gebiet aber immer noch nicht, seitdem ich weiß, dass der Punkt 2.288 von den „Auferbauers“ Gruberkarspitz genannt wird 😉 .
Liebe Grüße – Dein / Ihr / Euer Christian

Rundwanderung im Uhrzeigersinn: Von der Sölpaßstraße über den Unteren Zwieflersee auf den Zinken und nach dem Abstecher auf das Breitdach über den Schöderkogel
Landkartenausschnitte © BEV 2009, Vervielfältigt mit Genehmigung des BEV © Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen in Wien, T2009/52304